VC 17

Ist eine polare Bindung notwendig für eine Säure? Analyse einer verbreiteten Erklärung
Vortragende/r: Dr. Holger Fleischer
Institution:Scheffold-Gymnasium
Datum:16. November 2020
Zeit:16:00 - 16:45 Uhr
Raum:Chemie
Plätze:noch 52 Plätze frei

Die Erklärung der Acidität eines Moleküls HA durch die Polarität einer Element-Wasserstoff-Bindung („Polaritätskonzept“) ist nicht tragfähig. Die Analyse der Protolyse verschiedener Säuren HA mit der Base H2O in einem thermodynamischen Kreisprozess zeigt drei wesentliche Beiträge, die für Aciditätsunterschiede verantwortlich sind: Die freie Bindungsenthalpie der H-A-Bindung, die freie Hydratationsenthalpie der korrespondierenden Base A- und die Ionisierungsenergie von A-. In vielen Fällen steigt der Betrag der freien Bindungsenthalpie von H-A und damit die Bindungsstärke der H-A-Bindung mit deren Polarität. Das steht dem Polaritätskonzept entgegen. Je größer hingegen die Ionisierungsenergie von A-, desto stabiler ist die korrespondierende Base und umso acider ist HA. Es wird die Hypothese aufgestellt, dass die Ionisierungsenergie von A- mit der Möglichkeit zur Delokalisierung der negativen Ladung zunimmt. Eine Analyse der Orbitale von CH3-, NH2-, OH- und F- zeigt, dass die Delokalisierung der Valenzelektronen und damit auch der negativen Ladung in dieser Reihe zunimmt. Dieser Effekt, und nicht die Polarität der H-A-Bindung, bedingt den Anstieg der Acidität in der Reihe CH4 - NH3 - H2O - HF. Die Delokalisierung der negativen Ladung lässt sich mit dem Kugelwolkenmodell im Chemieunterricht der Sekundarstufe 1 anschaulich darstellen. Daher wird ein „Delokalisierungskonzept“ statt des „Polaritätskonzepts“ zur Vorhersage und zur Erklärung unterschiedlicher Aciditäten vorgeschlagen.