Die zwei Seiten der Medaille: Über den Unterschied zwischen lokaler Struktur und Kristallstruktur in komplexen Halbleiterverbindungen
Vortragende: Prof. Dr. Claudia Schnohr
Institution:Universität Leipzig
Datum:Montag, 25. März 2024
Zeit:15:15 - 16:00 Uhr
Raum:V3
Beitrags-Nr.:VP 25-002

Photovoltaik und insbesondere Dünnschichtsolarzellen aus modernen, mehrkomponentigen Halbleiterverbindungen, wie beispielsweise (Cu,Ag)(In,Ga)Se2, werden in Zukunft wesentlich zu einer nachhaltigen Energieversorgung beitragen. Die Eigenschaften dieser Stoffe, und folglich die Wirkungsgrade der Solarzellen, hängen empfindlich von der chemischen Zusammensetzung und Struktur des Materials ab. Interessanterweise spielen dabei auch Strukturparameter und Inhomogenitäten auf der Subnanometer-Skala eine wichtige Rolle.
Mit Hilfe intensiver Röntgenstrahlung aus einem Synchrotron und einer Untersuchungsmethode, die Röntgenabsorptionsspektroskopie genannt wird, können diese atomaren Strukturparameter bestimmt werden. Dazu wird der Absorptionskoeffizient der Röntgenstrahlung als Funktion der Röntgenenergie oberhalb der Absorptionskante eines bestimmten Elements gemessen. Die Analyse der in diesen Spektren auftretenden Feinstruktur liefert Informationen über die lokale Anordnung der Atome in der Umgebung des absorbierenden Elements.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen verblüffende Unterschiede zwischen der elementspezifischen lokalen Struktur und der langreichweitigen Kristallstruktur des Materials. So gibt es beispielsweise einen drastischen Unterschied zwischen den Ga-Se und In-Se Bindungslängen, obwohl sich Ga und In Atome denselben Gitterplatz teilen. Das führt wiederum zu starken Deplatzierungen der Se Atome. Ein anderer bemerkenswerter Effekt ist die Verkürzung der Ga-Se Bindungslänge, wenn in CuGaSe2 die Cu Atome durch Ag ersetzt werden, obwohl das Kristallgitter dabei expandiert. Die elementspezifische lokale Struktur und die Kristallstruktur sind somit zwei voneinander verschiedene Aspekte der Struktur des Materials – so wie die zwei verschiedenen Seiten einer Medaille.
Theoretische Rechnungen zeigen, dass die lokale Struktur die elektronischen Eigenschaften des Materials und damit auch den Wirkungsgrad der Solarzelle beeinflusst. Die Untersuchung dieser Effekte verbessert somit nicht nur das grundlegende Verständnis der Struktur in komplexen Halbleiterverbindungen sondern trägt auch zu einer besseren Beschreibung der Struktur-Eigenschafts-Beziehungen und somit zur weiteren Optimierung von Dünnschichtsolarzellen bei.