Wenn „gestandene Mathematiker“ irren – zur Fehlerkultur in der Entwicklung der Mathematik
Vortragende/r: Prof. Dr. Peter Ullrich
Institution:Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, Fachbereich 3, Mathematisches Institut
Datum:17. April 2020
Zeit:17:00 - 17:45 Uhr
Raum:HHT 0-208

„Addieren bzw. Multiplizieren vergrößert den Wert, Subtrahieren bzw. Dividieren verkleinert ihn.“ Durch Übergeneralisierung derartiger Aussagen von den natürlichen zu den ganzen bzw. den rationalen Zahlen machen Schülerinnen und Schüler häufig Fehler im Zusammenhang mit der Erweiterung der Zahlbereiche.
Ähnliche Fehler können auch durchaus renommierten Persönlichkeiten während mathematischer Forschungen unterlaufen, etwa bei der Fortsetzung der Logarithmusfunktion auf negative und imaginäre Argumente (Gottfried Wilhelm Leibniz, Johann Bernoulli), der Fortsetzung der Exponentialfunktion auf p-adische Argumente (Kurt Hensel) oder der Fortsetzung der Fakultät auf reelle oder gar komplexe Argumente (August Leopold Crelle, Martin Ohm).
In jedem dieser Fälle erfolgte eine Übergeneralisierung, auf die die Autoren recht schnell hingewiesen wurden oder die sie aufgrund eintretender Widersprüche auch selbst entdeckten.
Dabei zeigt nicht nur das Fehlerschema interessante Analogien zum Lernen in der Schule auf, auch der Umgang mit den Fehlern wirkt vertraut: Die Spannbreite erstreckt sich vom Professor, der seinen Irrtum Jahrzehnte später in einer Dissertation aufarbeiten und endgültig klären ließ, bis zu Personen, die selbst warnende Hinweise von Carl Friedrich Gauß ignorierten, so dass Karl Weierstraß (übrigens ganz zu Anfang seiner Zeit als Lehrer) klärend einspringen musste.